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Veränderung des Begriffs „Laufbahnberatung“

Früher verstand man unter Laufbahnberatung eine Beratung zum Thema „optimale Karrieregestaltung“. Dieses Beratungsverständnis aus einer Expertenhaltung heraus gehört in eine Zeit, in welcher ein einmal ergriffener Beruf in der Regel ein Leben lang beibehalten worden ist und die Rahmenbedingungen für dessen Ausübung relativ stabil gewesen sind. In einem solchen Kontext macht eine im erwähnten Sinne verstandene Laufbahnberatung Sinn. In stark reglementierten Berufszweigen, z.B. bei Ärzten, Lehrern oder Rechtsanwälten, kann dies auch heute noch angemessen sein. In den meisten Berufen haben sich aber die Rahmenbedingungen stark verändert und sind laufenden Veränderungen unterworfen. Es entstehen neue Berufe und Einsatzgebiete, während andere Berufe verschwinden. Ausserdem sinkt in der heutigen Wissensgesellschaft die Halbwertzeit von erworbenem Wissen immer weiter ab, die berufliche Laufbahn verläuft vermehrt diskontinuierlich und mehrgleisig.

So sind die meisten Erwerbstätigen während ihrer Karriere oder beruflichen Laufbahn mehrmals gezwungen, sich veränderten Bedingungen anzupassen und ihre Berufstätigkeit neu auszurichten. Eine Voraussage über die mittel-oder längerfristige Entwicklung der eigenen Karriere ist kaum mehr möglich und eine Laufbahnberatung im erwähnten Sinne nicht zielführend. Die Herausforderung von heutigen Berufstätigen besteht darin, dass sie für sich Berufsfelder entdecken, in welchen sie ihre Stärken und Fähigkeiten einbringen können und für die sie Interesse und Motivation mitbringen. Zudem müssen sie sich laufend persönlich und fachlich weiter entwickeln, um die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten und sich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Für eine Beratung in diesem Umfeld scheint ist der Begriff Karrierecoaching besser geeignet als der Begriff Laufbahnberatung. Der Wortteil Coaching besagt, dass es sich dabei um eine Begleitung durch einen Sparring Partner handelt und dass die Kundinnen und Kunden in der Verantwortung über die Gestaltung ihrer eigenen Karriere bleiben.

Heutige Definition des Begriffes „Laufbahnberatung“

Laufbahnberatung umfasst die Analyse aller Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Gestaltung des beruflichen Lebenslaufes. Anlässe für eine Laufbahnberatung sind berufliche Übergänge aller Art. Sie können selbst initiiert sein oder durch äußere Einflüsse veranlasst worden sein. Beispiele für Übergänge, wo eine Laufbahnberatung sinnvoll ist, sind der Wunsch nach einer beruflichen Neuorientierung oder einer beruflichen Veränderung, drohende Arbeitslosigkeit, beruflicher Wiedereinstieg nach Elternzeit oder nach Krankheit wie z.B. einem Burnout, vom Arbeitgeber unterstützte Neuorientierung bei Arbeitslosigkeit (Outplacement) und der Übergang vom Beruf in die Nachberufsphase.

Unterschied zur Berufsberatung

Laufbahnberatung setzt in Abgrenzung zur Berufsberatung überwiegend bei der Beratung von Erwachsenen an, aber auch Jugendliche und junge Erwachsene können mit laufbahnberaterisch orientierten Konzepten begleitet werden.

Mögliche Beratungsinhalte in der Laufbahnberatung

  • Umfassende Anliegensklärung, eventuell diagnostische Analyse der beruflichen Übergangssituation mit Hilfe von Prozess- und Kompetenzmodellen
  • Standortbestimmung mit Analyse des aktuellen Jobs, Zufrieden- und Unzufriedenheitsfaktoren
  • Biografiearbeit, Arbeitsverständnis in der Herkunftsfamilie
  • Arbeit mit Prägungen und Charakterstärken
  • Bilanzieren, Verdichten und Fokussieren von Karrierebausteinen wie Stärken, Interessen, Werten, Zukunftsvorstellungen, Karrierevorstellungen, Rollenverständnis im Beruf
  • Identitäts- und Visionsarbeit
  • Entwickeln von mehreren beruflichen Möglichkeiten evtl. als Patchwork-Entwurf oder als Kombination von Anstellung und Selbstständigkeit
  • Unterstützung bei der Recherche, beim Vergleichen und Abwägen von Alternativen
  • Bildungs- und Weiterbildungsberatung
  • Unterstützung in Entscheidungsfindungsprozessen
  • Zielfindung, Entwicklung von Haltungs- und Handlungszielen
  • Entwickeln von Ideen für das Probehandeln in neuen Arbeitsbereichen oder die Entwicklung von ersten beruflichen Prototypen, die als Referenz bei der Stellensuche dienen können
  • Training von Selbstmanagement- und Umsetzungskompetenzen
  • Bewerbungsberatung, Vorbereitung von Jobinterviews, Unterstützung bei alternativen Bewerbungsstrategien, bei Studierenden Vorbereitung auf Assessment-Center
  • Begleitung in der ersten Zeit im neuen Tätigkeitsfeld
  • Bei Schülerinnen und Schülern Vorbereitungsmaßnahmen auf berufliche Anforderungen wie Auswahlgespräche, Studierfähigkeitstests (Bewerbungstraining, Testtraining, Schnupperstudium).

Methoden in der Laufbahnberatung

  • Psychologische Eignungsanalysen, Potenzialanalysen
  • Kompetenzbilanzen
  • Career-Profiling, bei dem die individuellen Karrierebausteine mit äußeren beruflichen Möglichkeiten abgeglichen werden
  • Wertesammlungen und -fokussierungen
  • Arbeit mit analogen Medien, Metaphern und Visualisierungen, um intuitive Aspekte zu integrieren
  • Interventionen aus der Individualpsychologie, z. B. Kreislauf der Ermutigung, Stärkengeschichten
  • Methoden aus der Gestaltpsychologie, z. B. Kontaktzyklus, Arbeit mit dem leeren Stuhl
  • Systemische Coachingmethoden, z. B. systemische Fragen, Aufstellungsarbeit, Timeline, Tetralemma
  • Methoden aus dem Zürcher Ressourcen Modell zur Entscheidungs- und Zielfindung

Ablauf einer Laufbahnberatung

In einem ersten Gespräch wird die Ausgangslage besprochen sowie die Ziele der und die Erwartungen an die Laufbahnberatung geklärt. Auf Basis dieser Informationen wird der Beratungsprozess definiert: welche Methoden werden eingesetzt? Wie viele Sitzungen finden statt und zu welcher Dauer? Was sind die Inhalte und Ziele der einzelnen Sitzungen?

In der Regel werden diagnostische Mittel eingesetzt: Neigungstests, Interessentests, Persönlichkeitstests oder Intelligenztests. Daneben können je nach Fragestellung auch Übungen eingebaut werden, die in einem Assessment durchgeführt werden, z.B. Postkorb oder Interview. Zur Ermittlung von Fähigkeiten können auch Fremdeinschätzungen eingeholt werden.

Nach Absolvierung der verschiedenen Tests – diese können in der Regel von zu Hause aus absolviert werden – bespricht der Laufbahnberater die Ergebnisse mit dem Klienten / der Klientin. Diese persönliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen im Gespräch ist wichtig, um richtige Schlüsse zu ziehen und falsche oder einseitige Interpretationen zu vermeiden.

Aufgrund der Testergebnisse, den Übungen und der Eindrücke und Informationen aus den Gesprächen werden gemeinsam passende berufliche Perspektiven entwickelt – eben in der Laufbahnberatung. Der Laufbahnberater seinerseits macht ganz konkrete Berufsvorschläge. Der Klient/die Klientin prüft die verschiedenen beruflichen Perspektiven oder beruflichen Optionen und ordnet sie nach Prioritäten. An diesem Punkt gilt es, die Wege zur Realisierung der beruflichen Optionen aufzuzeigen und zu prüfen. Welche Aus- oder Weiterbildung sollte absolviert werden? Wie ist der Arbeitsmarkt? Welche spezifischen Fähigkeiten erhöhen meinen Arbeitsmarktwert? Wie gelingt der Quereinstieg? Muss allenfalls eine bestimmte Schulbildung nachgeholt werden? Ist ein Praktikum eine Möglichkeit und wenn ja, wie komme ich an eine Praktikumsstelle? Nach welchen Stellen soll ich suchen? Wie ist die Suchstrategie?